Die Historie des Gartenhauses

Das spätbarocke Gartenhaus des letzten Abteilichen Kanzleidirektors Johann Everhard Dingerkus verbirgt sich abseits der üblichen Laufwege in der Brandstorstraße in Essen-Werden.

Umringt von einer mächtigen Mauer und einem verwunschenen Garten steht das architektonische Juwel dort seit 1790 einsam auf halber Höhe des Pastoratsbergs (Ringbergs) als höchster Punkt des fast bis zur Ruhr reichenden Grundstücks.

Zunächst werden 1783 die Grundstücke erworben. Um 1790 entsteht das Gebäude, so wie wir es heute kennen. Die Kaufverträge sind im Original im Stadtarchiv Essen erhalten. Darin heißt es unter anderem: 

„1783 werden die vor der Stadt Werden und der Brandtporten daselbst unter der alten Burg am Fuß des Berges und an der da vorbeygehenden Strase zwischen dem sogenannten Jungbluthsgarten und dem Leers-Bungart-Garten gelegenen Gartenstücke „für insgesamt 190 Reichstaler an Herr Johann Everhard Dingerkus „beider Rechte Doktoren und der kaiserlich freien Reichsabtei Werden zeitlicher Rat und Kanzlei Direktor“ und seiner Frau Wilhelmina Sophia Leopoldina Funcke verkauft“.

Johann Everhard Dingerkus (1725 – 1817)

Stadtansicht Werden von 1813

Ansicht Werden um 1840

In der Zeichnung des Thelott von 1813 kann man sehr schön die historische Situation erkennen. In einer Katasterkarte dieser Zeit wird das Gartenhaus übrigens als Teehaus bezeichnet.

Das Gebäude bleibt zunächst in Familienbesitz und geht dann später in den Besitz der Stadt Werden und ab 1929 der Stadt Essen über. Aus Erzählungen wissen wir, dass in der Zeit des Dritten Reiches ab 1933 BDM-Treffen stattfinden. In den letzten Kriegsmonaten wird die obere Etage von einer älteren Dame bewohnt. Ein Ofen steht zur Verfügung, Kohle und Holz spenden etwas Wärme. In den 1950er und 1960er Jahren werden Haus und Garten von der benachbarten Schule im Wesselswerth als Unterrichtsraum und Schulgarten genutzt. Auch ein Schreiner betreibt im Untergeschoss zwischenzeitlich sein Geschäft.

Ab den 1970er Jahren übernimmt die Folkwang-Hochschule die alte Schule im Wesselswerth und damit auch das Gartenhaus von der Stadt Essen. In den 1980er Jahren gibt es Pläne, das Gartenhaus abzureißen. Dieses kann zum Glück verhindert werden. Der Werdener Heimatverein setzt sich 1992 dafür ein, dass Haus und Garten unter Denkmalschutz gestellt werden. Das war für die Erhaltung sicher sehr wichtig.

Im Jahr 1999  werden Dach und Fußboden durch das Land NRW erneuert. Es gibt aber keine neue Nutzung. Das Haus gerät wieder in Vergessenheit.

Im Jahr der Kulturhauptstadt 2010 haben Werdener Bürger diesen wunderbaren Ort aus seinem Dornröschenschlaf erwecken können. Kunst und Kultur an historischem Ort ist das Motto des Freundeskreises Gartenhaus Dingerkus e.V., der sich im April 2010 gründet hat.

1960er Jahre

1970er Jahre

1992

2010

2017

Die Architektur des Gartenhauses

Es handelt sich um ein zweigeschossiges Gartenhaus auf fast quadratischem Grundriss mit Mansardendach (Schiefer).

Gebaut wird das barocke Häuschen um 1790 von Baumeister Engelbert Kleinhanz. Vermutlich zeitgleich mit dem letzten Gebäude der Werdener Abtei, dem Torhaus. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Gartenhaus auf fast quadratischem Grundriss mit einem Mansardendach aus Schiefer. Die Mauerstärke beträgt im unteren Bereich ca. 60 cm im oberen Bereich immerhin rd. 40 cm. Ein Kamin ist noch vorhanden.

Die besondere Bedeutung für Werden hat die Denkmalbehörde ebenso gesehen und schreibt: „Der Garten mit dem Gebäude ist bedeutend für die Geschichte des Menschen, erhaltenswert aus architektur-, orts- und siedlungsgeschichtlichen Gründen.” Das Städtchen Werden wächst und ab 1880 entstehen im Wesselswerth die repräsentativen Gebäude für das Amtgericht Werden, die Post und die Reichsbank. Die Sichtachse auf das Ruhrtal geht damit leider verloren. Bürgerliche Gartenhäuser dieser Art sind im Rheinland und Westfalen außerordenltich selten. Deshalb ist eine Erhaltung und Nutzung so wichtig; als Beispiel für das Leben einer bürgerlichen Familie zum Ende des 18. Jahrhunderts.

Der denkmalgeschütze Garten

Mit seinen heute rund 500 qm hat der Garten nur noch etwa zehn Prozent seiner ursprünglichen Größe.

Er wurde 1994 ebenfalls unter Denkmalschutz gestellt. Aber wie hat ein Garten zum Ende des 18. Jahrhunderts ausgesehen? Es ist zu vermuten, dass er sowohl Elemente des barocken und des englischen Landschaftsgartens enthält. Kein Lust- und Flaniergarten sondern ein Haus- und Familiengarten. Mit einem Zentralgebäude, ausgerichtet auf die Ruhr und das Ruhrufer (Sichtachse). Aus der „Belle Etage“ genießt man beim „Schälgen Thee oder Kaffee“ (einer Portion Tee oder Kaffee) den herrlichen Blick auf die Landschaft und das Ruhrtal sowie die vorbeifahrenden Ruhraaken.

Der Garten diente neben der Erholung und Entspannung dem Anbau von Obst und Gemüse. Dicke Bohnen, Sommerkappes (Weißkohl) und später wohl auch die Kartoffel, die zu dieser Zeit Einzug ins Werdener Land hält, werden angebaut.

Pläne oder Dokumte gibt es leider nicht mehr. Aber wie hat der Garten wohl ausgesehen? Aus Beschreibungen der Familie können wir uns folgende Situation vorstellen: Von Blumenkübeln gesäumte Wege, Streuobstwiesen und kleine Beete mit Blumen bzw. Beerensträuchern. Eine Idylle in einer sich permanent verändernden Welt aus den Einflüssen der französischen Revolution. Auch ein Rückzugsort für die Familie Dingerkus und ihre Freunde in Werden an der Ruhr.

Ursprüglich hatte der ” Obsthof” vor den Toren der Stadt eine Größe von rd. 4.000 m²; heute sind noch rund 500 m² erhalten. Der Freundeskreis hat die Elemente des alten Gartens wieder aufgenommen. Auch Dicke Bohnen werden wieder geerntet!

Weitere Informationen und schöne Bilder finden Sie in der aktuellen Broschüre “Ein alter Garten in der Stadt”. Erhältlich zum Preis von 5,00 Euro beim Freundeskreis (s. auch Publikationen).